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Geschichte der entwicklung von Schutzgebieten

Die Geschichte der Schutzgebiete in Litauen ist lang und kompliziert. Sie reicht bis in älteste Zeiten zurück.

In der litauischen Geschichte der Schutzgebiete kann man sechs Perioden unterscheiden, die eng mit der Geschichte von Staat und Gesellschaft verbunden sind, mit dem Wandel der sozialen und wirtschaftlichen Beziehungen, der Kultur und des Verständnisses der Natur. Das sind: 1) alte baltische, 2) feudale, 3) Litauen der Zwischenkriegszeit, 4) frühe Sowjetzeit, 5) späte Sowjetzeit und 6) Gegenwart.

Alte baltische Periode

Kenntnisse über das Verhältnis der Ahnen, der alten Balten, zur Umwelt geben uns die Annalen. Im ersten Jahrtausend spürt man eine offensichtliche Verehrung der Natur und deren Phänomene und Objekten durch die alten Balten. Die ältesten Traditionen in Bezug auf Schutzgebiete waren sakraler Natur und standen im Zusammenhang mit der Verehrung der Natur. Die älteste Periode von Schutzgebieten steht im Zusammenhang mit Kultstätten. In dieser kam es zur Herausbildung von heiligen Wäldern oder einzelnen heiligen Bäumen, Steinen, Gewässern oder anderen natürlichen Objekten, die man nicht beschädigen durfte, aber mitunter aufsuchen sollte. Dieses Konzept von Schutzgebieten unterschied sich natürlich erheblich vom heutigen, doch die Strenge des Schutzes entspricht etwa der eines Reservats oder Naturdenkmals und die Durchsetzung der Schutzes war, so darf vermutet werden, deutlich besser als heute.

Nachdem Litauen offiziell zum Christentum übergetreten war, kam es zum Ende des 14. Jh. zur Zerstörung der heidnischen Kultstätten oder deren Übernahme und Neuinterpretation mit christlichen Motiven. Ungeachtet der für die Entwicklung der alten Schutzgebiete ungünstig verlaufenen Geschichte haben einige Teile davon (Opferhügel und Kultsteine) bis heute überstanden und sind nun Teil des Systems der Schutzgebiete, das in der zweiten Hälfte des 20. Jh. etabliert wurde.

Feudale Periode

In der feudalen Periode machten sakrale Motive des Naturschutzes Platz für ein Nutzungsinteresse. Anfänge der Regulierung der Nutzung natürlicher Ressourcen findet man im Statut von Kasimir (1468) und im Ersten Litauischen Statut (1529). In diesen Dokumenten des feudalen Rechts liegt der Schwerpunkt auf dem Schutz von Wald und jagdbarem Wild, wobei diese streng mit dem Eigentumsrecht verknüpft und brutale Strafen (bis zur Todesstrafe) für Verstöße bei Waldnutzung, Fischfang und Jagd festgelegt werden.

Wilde Tiere und Vögel gelten als Eigentum der Fürsten und die Jagd als Privileg des Hochadels. Im 17. Jh. wurde die Jagd des Hochadels und sonstiger Eliten zu einer Art Vergnügung, wofür große Waldstücke als Bannwald ausgewiesen wurden, wo jegliche andere Tätigkeit untersagt war. Man geht davon aus, dass auf dem Gebiet des heutigen Litauens mehrere solcher Jagdgebiete bestanden haben.

Zwischenkriegsperiode

In dieser Zeit kamen neue Ideen des 20. Jh. zum Umweltschutz, zur Vielfalt von Natur und Kultur nach Litauen, verbunden mit der Notwendigkeit des Schutzes seltener Objekte. Schon im ersten Jahrzehnt der staatlichen Unabhängigkeit äußerten sich bedeutende Leute, wie T. Ivanauskas, P. Matulionis, J. Tumas-Vaizgantas, zur Idee von speziellen Schutzgebieten, Reservaten und Volksparks (Nationalparks) mit Vorschlägen für konkrete Schutzgebiete.

T. Ivanauskas hatte bereits 1921 6 Territorien benannt, die geschützt werden sollten und die als Reservat geeignet wären. Auf Initiative von J. Tumas-Vaizgantas begann man über die Gründung von Volksparks im Punios silas und Anyksciu silas zu diskutieren. P. Matulionis lenkte die Diskussion auf den Labanoras-Wald.

1937 entstand des erste Schutzgebiet im heutigen Sinne, das Naturreservat Zuvintas zum Schutz von gefährdeten Wasservögeln.

Frühe Sowjetzeit

Im Bestand der Sowjetunion konnte Litauen keine eigenständige Umweltschutzpolitik entwickeln und unterlag der allgemeinen Entwicklung in der Sowjetunion. 1945 wurden die ersten 8 Naturschutzgebiete ausgewiesen, mit einer Gesamtfläche von 17.800 ha. Deren Ziel war die Wiederherstellung der Bestände an jagdbarem Großwild. 1948 wurden diese Schutzgebiete zu Jagdreservaten oder sie wurden annulliert. Insgesamt gab es 13 Jagdreservate.

1951 wurden alle Jagdreservate annulliert, 1954 wurde ein neues System aus Jagdgebieten mit insgesamt fast 300.000 ha geschaffen. Die Jagdgebiete wurden für einen Zeitraum von 10 Jahren ausgewiesen, damit sich der Bestand an jagdbarem Wild erholt. Die Schutzgebiete, die in dieser Zeit ausgewiesen wurden, galten im wesentlichen dem Erhalt und der Mehrung von jagdbarem Wild.

Späte Sowjetzeit

In der späten Sowjetzeit wurden die Grundlagen für das System der Schutzgebiete in Litauen gelegt. Mit der sich andeutenden ökologischen Krise und dem Wachstum des öffentlichen Bewusstseins für Umweltschutz wurden auf wissenschaftlicher Basis ein systematisches Konzept und die ersten Planungsdokumente von Schutzgebieten erstellt.

1959 wurde das erste Naturschutzgesetz angenommen, in dem die Hauptkategorien von Schutzgebieten und deren Modi definiert wurden, mit einem Schwerpunkt auf Landschaftsschutz und Artenvielfalt 1960 wurden per Beschluss des Ministerrats im Land die ersten echten Schutzgebiete für Naturschutz und komplexe Schutzgebiete ausgewiesen. Dabei entstanden 89 Schutzgebiete! Die Schutzgebiete nahmen dabei 2% der Landesfläche ein. Diese Schutzgebiete umfassten so ziemlich alle damals bekannten wertvollen Territorien in Litauen.

1969, 1975 und 1980 wurde das Netz der Schutzgebiete jeweils deutlich mit neuen Schutzgebieten erweitert. Das Naturreservat Zuvintas wurde erweitert und zwei neue Reservate wurden ausgewiesen: Cepkeliai (1975) und Kamanos (1979). 1989 wurde das Museum und Kulturreservat Kernave gegründet. 1966 wurde die Kurische Nehrung zu einem Landschaftsschutzgebiet mit eingeschränkter Bewirtschaftung erklärt.

Zum Ender der 60er Jahr wurde wieder aktiv die Gründung von Nationalparks diskutiert. 1971 wurde das Projekt für den Nationalpark Aukstaitija fertiggestellt, gefolgt von der Ausweisung des ersten Nationalparks mit 30.000 ha 1974.

Besondere Aufmerksamkeit galt der Schaffung eines Netzes aus National- und Regionalparks, wofür ein originelles Konzept (von Prof. R. Kavaliauskas) entworfen wurde, das die repräsentative Vertretung der ethnokulturellen Regionen und die Berücksichtigung von Erholung und Tourismus einbezog.

Für die Entwicklung der Schutzgebiete des Landes waren die 1980er Jahre von enormer Bedeutung, als eine Gruppe für Raumordnung an der Universität Vilnius unter Leitung von Kavaliauskas und unter Mitwirkung des Botanischen Instituts ein perspektivisches Schema der besonders zu schützenden Gebiete in Litauen entwarf. Darin war eine erhebliche Umstrukturierung der Schutzgebiete im Land vorgesehen, hin zu einem zielgerichteten System und einer Verdopplung der Fläche der Schutzgebiete. Die Vorschläge dieses Schemas wurden zusammen mit der Idee des komplexen Naturschutzes 1986 von der Regierung genehmigt. Das war die erste langfristige Strategie des landesweiten Netzes von Schutzgebieten.

1988 wurde das Netz der Schutzgebiete um 79 neue Gebiete erweitert und hinzu kamen neue Kategorien der Schutzgebiete (geomorphologische, hydrographische und pedologische). Die Gesamtfläche aller ausgewiesenen Schutzgebiete betrug über 27.500 ha. 1984 wurde der erste staatliche Naturpark Pavilnys ausgewiesen, der Prototyp der späteren Regionalparks. Zudem wurde die Kategorie des Naturdenkmals juristisch definiert und diese systematisch erfasst. Zum Ende dieser Periode gab es 415 Naturdenkmäler.

Gegenwärtige Periode

Diese begann 1990 mit der Wiederherstellung der Unabhängigkeit von Litauen. In den ersten drei Jahren wurde fortgesetzt und beendet, was in der vorherigen Periode geplant worden war. Zunächst wurde die Schaffung der Nationalparks abgeschlossen. Per Beschluss des Obersten Rats der Republik Litauen wurden 1991 die Nationalparks Kurische Nehrung, Dzukija, Zemaitija, der historische Nationalpark Trakai und das Reservat Viesvile gegründet. Ein (sogar weltweit) einzigartiges Phänomen ist das System der Regionalparks, das 29 Regionen und 1 historischen Regionalpark umfasst (Gesamtfläche über 360.000 ha), das mit einem Beschluss (Oberster Rat der Republik Litauen vom 24. September 1992) gegründet wurde. Mit dem gleichen Beschluss wurde auch das System der staatlichen Schutzgebiete ausgebaut, indem weitere 128 Schutzgebiete ausgewiesen wurden.

Innerhalb dieses Zeitraums wurde ein System von Schutzgebieten in Litauen geschaffen, das den europäischen Standards entsprach. 1993 wurde das Gesetz über Schutzgebiete erlassen, was den Beginn einer neuen Etappe des Systems von Schutzgebieten darstellt. 1997 wurde eine neue Kategorie von Schutzgebieten hinzugefügt: die telmologischen Schutzgebiete zum Schutz von Mooren, und das Kulturreservat der Burgen von Vilnius wurde gegründet.

Die kommunalen Einrichtungen begannen mit der Ausweisung von kommunalen Schutzgebieten und der Bekanntmachung von Objekten des Natur- und Kulturerbes.

Für diese Periode der Entwicklung der Schutzgebiete ist eine schnelle Ausweitung der Territorien und der Planungsdokumente, die Schaffung spezieller Institutionen, die Stärkung der Direktionen der Schutzgebiete und die Schaffung von Infrastruktur für Erholung und Bildungstourismus typisch.

Zu einer neuen Welle bei der Ausweisung von Schutzgebieten kam es durch die Implementierung der Vogelschutzrichtlinie und der FFH-Richtlinie der EU und der Schaffung von Natura-2000-Gebieten.

Von 2002 bis 2018 wurde das Biosphärenreservat Zuvintas (auf Grundlage des bestehenden Reservats) ausgewiesen, neu hinzu kamen 32 Biosphären-Polygone, 39 Schutzgebiete und 3 Flächen in Renaturierung. Diesen und vielen weiteren Schutzgebieten wurde der Status als Natura-2000-Gebiet verliehen.

2014 wurden über 100 genetische Schutzgebiete ausgewiesen.